PLEUEL = CONNECTION ROD

Das Pleuel ist nicht selten ein vernachlässigtes Motor-Bauteil – dabei stellt es das entscheidende Bindeglied zwischen Kolben und Kurbelwelle dar.

Natürlich wird während intensiver Benzingespräche die Frage nach dem passenden Kolben deutlich häufiger gestellt, als nach der Wahl, der Funktion oder dem Aufbau des Pleuels. Doch ohne Pleuel wäre ein Hubkolbenmotor, wie er in den aktuellen Verbrennungs-Motoren aller Motorräder zum Einsatz kommt, nicht funktionsfähig.

Was genau ist die Aufgabe des Pleuels? Das Pleuel – oder auch gerne als Pleuelstange bezeichnet – verbindet den Kolben mit der Kurbelwelle. Über das Pleuel wir die oszillierende Bewegung des Kolbens in eine rotierende der Kurbelwelle umgewandelt. Diese Bewegung wird bekanntlich über den Kurbel-, Primär- und Sekundärtrieb ans Hinterrad weitergeleitet, so dass sich selbiges zu drehen beginnt. Abhängig von der Drehzahl der Kurbelwelle dreht sich das Hinterrad schneller oder langsamer, was bekanntlich durch ein Mehrgang-Getriebe individuell gestaltet werden kann.

125er Zweitakt-Pleuel-Kit: Nadellager und Rollenlager im Käfig, Hubzapfen und zwei Anlaufscheiben

Mit dieser recht simplen Darstellung ist zwar zunächst die Aufgabe des Pleuels geklärt, doch hinsichtlich Aufbau und Funktion gibt es doch einiges, was einer näheren Betrachtung bedarf: Das kleine Auge am Pleuel – auch als Kolbenbolzenauge bezeichnet – dient zur Aufnahme des Kolbens. Auf Grund der seitlichen Auslenkung des Pleuels während eines Arbeitszyklus muss es drehbar mit dem Kolben verbunden sein. Dazu kommt ein Wälzlager, genauer gesagt meist ein Zylinderrollenlager mit Käfig zum Einsatz.

Das große Auge – auch bekannt unter der Bezeichnung unteres Pleuellager – dient zur Aufnahme des Hubzapfens. Die Lagerung erfolgt meist wie oben in Form eines Zylinderrollenlagers mit Käfig oder beispielsweise wie bei KTM seit geraumer Zeit durch ein Gleitlager. Letzteres erfordert eine sorgfältige Fertigung – ist er doch in der Regel kein Normteil wie ein Wälzlager – bringt aber den Vorteil einer geringeren Wartungsintensität. Am Beispiel der österreichischen Viertakt-Sportenduros und Motocross-Modelle konnte das Wartungsintervall von 90 auf beachtliche 135 Betriebsstunden angehoben werden.

Von Links nach rechts: 125er, dann 250/300er und zuletzt 500er Zweitakt-Pleuel

Für die Montage des Pleuels auf der Kurbelwelle gibt es einmal die Variante mit geschraubten Pleuelfuß und geteilten Lagerschalen, die häufiger bei Mehrzylinder-Motoren Anwendung findet. Bei Einzylindern wird mit Hilfe einer Presspassung zwischen Hubzapfen und Kurbelwangen das Pleuel an der Kurbelwelle drehbar fixiert. Das Wuchten des Kurbeltriebs ist obligatorisch. Der damit oft auftretende Begriff „Feinwuchten“ ist eine Maßnahme, die das dynamische Wuchten bezeichnet, das heißt Wuchten während der Drehbewegung im Gegensatz zum statischen Wuchten. Der Vorteil sind geringere Motorvibrationen und damit eine Reduzierung der Belastung für sämtliche Bauteile.

Worin liegen die eigentlichen Unterschiede der Pleuel zueinander? Im Prinzip gibt es zwei wichtige Ansätze. Zum einen ist das die Verbindungsfunktion der Pleuellager. Zum anderen ist es die Aufnahme der auftretenden Kräfte und deren Weiterleitung während der oszillierenden Kolbenbewegung und der rotierenden Bewegung der Kurbelwelle. Wodurch wird dies hauptsächlich beeinflusst? Durch die Höhe des Verbrennungsdrucks im Brennraum und zum anderen durch die Masse der bewegten Bauteile, die an diesem Bewegungsablauf beteiligt sind.
Gehen wir in die Praxis, um die Betrachtung etwas zu vereinfachen: Bewegt man einen 125er Zweitakt-Motor mittels Kickstarter, so ist dieser Vorgang im Vergleich zu einer 250er oder 500er spürbar weniger kraftaufwendig. Jetzt werden einige behaupten, dass das ja logisch sei, weil der 500er Kolben deutlich größer ist und somit über eine größere Masse als das 125er Teil verfügt. Richtig, aber hierbei spielen auch die Motorverdichtung und die im Betrieb entstehende Temperatur während der Verbrennung, nicht zu vergessen die maximale nutzbare Drehzahl eine gewichtige Rolle. Denn alle genannten Faktoren beeinflussen die Ausführung der Pleuel nachhaltig.

Links ein 500er Zweitakt-Pleuel vom Crosser, rechts Pleuel aus einer 450/500er Sportenduro

Beim Viertakter ist selbiger Test mit deutlich mehr körperlichem Kraftaufwand verbunden, eine Folge in der Regel höherer Kompression. Genau aus diesem Grund hat man für ein leichteres Betätigen des Kickstarters bei älteren Enduros zusätzlich den Dekompressions-Hebel eingeführt, was bei neueren Modellen durch eine automatische Dekompressions-Einheit an der Auslass-Nockenwelle ersetzt wurde. Beide Systeme verringern sowohl für den Kick- als auch für den Elektrostart den Kompressionsdruck, so dass sich der Viertakt-Motor leichter starten lässt.
Die Pleuelform folgt beim Viertakter dem in der Regel größeren Hubzapfen-Durchmesser. Nicht unerheblich ist der Abstand der Kurbelwelle vom Brennraum – grob gesagt. Denn unter anderem ergibt sich daraus die Pleuellänge, dargestellt als Mittenabstand von oberem und unterem Pleuellager.

Die Werkstoffwahl schließlich hängt vom Anwendungsfall und der auftretenden Belastung ab. Bei Sportenduros ist minimales Gewicht ein Ziel, ohne die Haltbarkeit riskieren zu müssen. Denn, je geringer die oszillierenden Massen und deren während des Motorlaufs – abhängig von der Drehzahl – auftretende Beschleunigung, umso kleiner – schwächer – können in der Regel alle anderen Bauteile dimensioniert werden.
Ein bewährter Werkstoff sind Schmiedestähle, die über eine hohe Zugfestigkeit von bis zu 1200N/mm² verfügen. Im Rennsport sind oft spezielle Materialien wie Titan im Einsatz, das eine hohe Dauerfestigkeit bietet und gleichzeitig die gewünschte Gewichtsreduzierung mitbringt. Dies bleibt aber eine Speziallösung, die kostentechnisch vorerst nicht in der flächendeckenden Serienfertigung anzutreffen sein wird.

Infokasten Pleuel - Gewichte & Preise © OFFROADCRACKS

 

Zur Schmierung des Pleuels dient beim Zweitakter das Kraftstoff-Öl-Gemisch beim Zweitakter und beim Viertakter das Motoröl. Optimiert wird der Schmierprozess durch speziell ausgeführte Aussparungen am Umfang des unteren Pleuelauges in Längsachse des Schaftes und im oberen Pleuelauge durch eine oder mehrere Bohrungen in Kolbenrichtung, wodurch das auftreffende Spritzöl für die notwendige Kühlung und Schmierung sorgt. Weniger bei Sportenduros anzutreffen sind Ölspritzdüsen, die mittels einer Ölleitung oder Bohrung über die Ölpumpe spezielle Bereiche wie beispielsweise dem Kolbenboden von unten oder auch Lagerstellen sowohl mit dem kühlenden Gold und der Schmierung für ein langes Leben versorgt.

350er Viertakt-Pleuel ohne Anlaufscheiben mit Hubzapfen und Rollenlager unten, oben Schmierbohrung für den Kolbenbolzen sichtbar

Insgesamt betrachtet ist die Ausführung eines Pleuels mittlerweile derart komplex, dass man für Neukonstruktionen eine FEM-Analyse, ausgeschrieben Finite-Element-Methode, durchführt. Damit können die Gestalt des Pleuels optimiert und Verformungen unter dynamischen Belastungen überprüft werden. Nach wie vor gilt unter der Betrachtung aller Gesichtspunkte, dass Gewicht und die Gestaltung des Pleuels die Leistungsfähigkeit und Laufruhe eines Motors direkt beeinflussen.

Bilder: OFFROADCRACKS, KTM, Husqvarna

Zerlegbares Nadellager mit Käfig in gesicherter Verpackung links; Rollenlager mit Käfig rechts nicht zerlegbar

Links ein 500er Zweitakt-Pleuel mit radial angeordneter Durchbrechung zur gesicherten Schmierungen des Wälzlagers, rechts ein 450/500er Viertakt-Pleuel mit radial positionierter Bohrung zur Ölversorgung des Nadellagers am oberen Pleuelauge

 

KTM SX 85 Zweitakt-Kurbelwelle mit Pleuel