Die Rallye-Breslau geht ins 25. Jahr und schreibt Geschichte: Ein Grund für uns teilzunehmen und die Legende live zu mitzuerleben.

Gut 900 Personen stellt der Rallye-Tross, davon über 200 Teilnehmer in den Kategorien Zwei- und Vierrad.

Richtig gehört, die Rallye Breslau hat ihr Format abgeändert und ist auf Grund der immer weniger zu Verfügung stehenden Freizeit der Teilnehmer von im Schnitt sieben bis acht Renntage auf fünf zurückgegangen, was im Prinzip nur fünf Werktage Urlaub bedeutet und man für die An- und Abreise das jeweilige Wochenende nutzen kann. Wie üblich galt es nach der gut 12-stündigen Anfahrt über Stettin oder Frankfurt Oder ins Herzen von Polen nahe der Stadt Szczecinek ins erste Camp direkt an einem See die Anmeldung und technische Abnahme zu absolvieren, was wieder außerordentlich gut funktionierte, da man gut 90 Prozent davon im Vorfeld online erledigen konnte. Dann hieß es noch den Tracker installieren lassen, kurz einen Erste-Hilfe-Pflichtkurs absolvieren, das Fahrerbriefing nicht verpassen und das Roadbook markieren sowie auf den Halter aufrollen. Die letzten zwei Punkte gehören übrigens zum täglichen Ablauf, nachdem die Technik am Bike und das restliche Equipment gecheckt wurden.

Vorteil des neuen Formats ist auch, dass man den einzigen Camp-Wechsel nach der gefahrenen Sonderprüfung am Mittwoch selbst erledigen kann und nicht noch extra einen Fahrer dafür benötigt, um in die legendäre Rallye-City Drawsko Pomorskie zu gelangen und auf Europas größtem Truppenübungsplatz „Polygon“ unter amerikanischer Führung die restlichen drei Etappen zu absolvieren.

Insgesamt gilt es in der Cross-Country-Klasse fast 1400 Kilometer zurückzulegen, wovon knapp 900 gezeitete Prüfungen waren. Das hört sich erstmal nach nicht viel an, doch wie schon immer ist der Knackpunkt bei der Rallye-Breslau nicht die Distanz, sondern die schwierige Navigation, weshalb man immer wieder diverse Dakar-Teams und -Teilnehmer aus allen Kategorien bei der Rallye-Breslau antrifft, die die europäische Rallye-Legende als intensive Trainingseinheit für die Mutter aller Rallyes nutzten – größtenteils übertrifft man den Navigations-Level der Dakar.

Am Montag ging es dann auf die erste Etappe nach der bekannten FIA-Zeitnahme-Methode mit Vorstart und Co. Auf der ersten Etappe – quasi als Eingewöhnung für die Rallye – hieß es gut 2,5 Stunden zurück in den Navigations-Modus zu gelangen. Prinzipiell lief es bei allen ziemlich glatt, doch leider habe nicht nur ich, sondern auch einige andere im Eifer des Gefechts so manches Speedlimit übersehen, so dass es berechtigterweise ordentliche Zeitstrafen hagelte. Für mich bedeutete das etwas über 27 Minuten Strafzeit – das war satt. Schlussfolgerung? Noch genauer Navigieren, die Roadbook-Hinweise noch detailierter im Rennmodus realisieren und gut 33 Minuten wieder aufholen, denn mit Platz 15 hat man keinen wirklich guten Ausgangspunkt geschaffen.

Die erste Etappe gewann der Litauer Andrius Liskus auf seiner Honda CRF450X. Auf der zweiten Etappe legte ich den Gashahn um, blieb konzentriert und konnte nach knapp drei Stunden Fahrzeit mit einem Vorsprung von fast zehn Minuten auf den Polen Jacek Kalita meinen Gesamtrückstand ordentlich reduzieren und die Etappe gewinnen. Die Etappen waren bislang einfach klasse, denn es ging durch Laub- und Nadelwälder auf steinigen und sandigen Böden mit zahlreichen Abzweigungen, die schnell für einen Navigationsfehler sorgen konnten. Eine lange Gerade neben einer frisch angepflanzten Baumkultur ließ Geschwindigkeit von über 140km/h zu, was der Yamaha gut zu Gesicht stand, da sie trotz fehlendem Lenkungsdämpfer auffällig neutral zu bewegen war. Auch zahlreiche Auf- und Abfahrten sorgten für ständige Abwechslung und Anspruch, so dass auch klassische Enduro-Skills gefragt waren.

Am dritten Tag ging es zusammen mit den Quads im Nacken an den Start, die bei tiefen Böden deutlicher schneller waren, als die Zweiräder. Da ich die gestrige Etappe gewinnen konnte, hieß es als erster die Etappe eröffnen und den Weg finden. Nach gut 30 Minuten Fahrzeit war der erste Biker herangefahren, so dass man sich auf der Verbindungsetappe gemeinsam auf zur nächsten Sonderprüfung machte. Dann hieß es plötzlich Rallye-Stopp, da noch ein liegengebliebenes Side-by-Side von der Strecke transportiert werden musste. Nach gut einer Stunde ging es in die Speziale, die insgesamt gut Verlief. Sobald einem jedoch die Quads überholt hatten, hieß es Abstand halten, da die entstehenden Staubwolken auf dem trockenen sandigen Untergrund einer Wand glichen und extrem gefährlich waren. Letztendlich hieß es am dritten Tag Platz sechs auf Grund eines etwas unglücklich platzierten Roadbook-Hinweises, der bei vielen Teilnehmern für Verwirrung sorgte. Doch Platz sechs war für den vierten Renntag nach dem Campwechsel ins Militärgebiet eine ideale Ausgangsposition, um den Überblick zu behalten.

Übrigens, fürs Catering war bestens gesorgt und es wurde lokale Hausmannskost serviert, die den geschundenen Körper täglich mit reichlich Energie versorgte. Am Donnerstag hieß es Vollcheck an der Yamaha, um keinen technischen Ausfalle zu riskieren. Ein neuer Luftfilter sowie die Kontrolle aller Schrauben war die Hauptarbeit. Dann gab es neue Metzeler-MC-360 Mid-Soft-Bereifung, die sich bislang mit Mousse auf allen Untergründen auf dieser Rallye bestens bewährt hatten.

Jetzt hieß es Staub schlucken, denn ich musste hinter den besser platzierten Quads starten, was 40 Kilometer Halbgas bedeutete und frustrierend war. Denn das Überholen war unmöglich, wollte man in den polnischen Wäldern nicht sein Leben aufs Spiel setzen. Doch dann konnte ich auf Grund eines Navigationsfehlers der Vorausfahrenden überholen und wegen der großen Lücke zu den Führenden mächtig Tempo machen. Denn meine stärkste Konkurrenz war die 5-fache Rallye-Dakar-Teilnehmerin Mirjam Pol aus Holland auf ihre Husqvarna FR 450 Rallye Replica, die einen verdammt guten Job machte. Sie konnte diese Etappe gewinnen und ich fuhr als Zweiter ins Ziel, was für mich die Gesamtführung bedeutet.

Doch zu früh darf man sich nie bei einer Rallye-Breslau freuen, denn es kann noch alles passieren. Denn um 23 Uhr mitten in der Nacht hieß es 70 Kilometer durch die Dunkelheit mit schwieriger Navigation und extra Helmbeleuchtung. Als Gesamtführender ging es für mich als Erster auf die Strecke. Mit nur einem begrenzten Lichtkegel muss man sich zur Orientierung enorm konzentrieren, was natürlich Tempo kostet, so dass ich relativ schnell von den Nachfolgenden Quads mit ihren Flutlichtscheinwerfern eingeholt wurde. Ein kleiner Navigationsfehler meinerseits und auch Mirjam Pol war vorbei. Der Kampf um die Spitze war erneut eröffnet, doch in der Nacht gab es kaum Gelegenheit zur Attacke, da zu gefährlich auf Grund der geringen Sicht. Dennoch klappt es mit einem guten zweiten Platz, was ich so nicht erwartet hatte.

Um halb zwei in der Nacht zurück im Camp hieß es raus aus den Klamotten, unter die Camp-Dusche und ab ins Bett, denn bereits am letzten Tag ging es etwas später als sonst auf die Schlussetappe mit gut 200 Kilometer Wertungsprüfung, was einen Tankstopp und einen Roadbookwechsel notwendig machte.

Der Start erfolgte in Zweier-Teams, in diesem Fall mit Mirjam Pol, die sich an meine Fersen heftete. Ich musste nur bei ihr bleiben, da ich eigentlich genügend Vorsprung in der Gesamtwertung hatte, um das Ding nach Hause zu holen. Nach gut 120 Kilometer hieß es Tankstopp und Roadbookwechsel, was mich 20 Minuten kostete, da nur Stahlkanister im Militärgebiet erlaubt waren und keine Schnelltank-Anlagen – gut, das war für alle Teilnehmer gleich. Mirjam hatte zirka 30 Liter Tankkapazität und konnte weiter fahren. Dann kamen noch ziemlich heftige Regenfälle hinzu, die den Roadbook-Wechsel nicht gerade vereinfachte, da die nassgewordene Papierrolle schnell reißen konnte. Also, ab in den Wald unter die Bäume, damit ich die restlichen 60 Kilometer möglichst trocken auf den Roadbookhalter bekam. Mit ordentlicher Wut im Bauch und mit dem Messer zwischen den Zähnen hieß es jetzt oder nie. Die Yamaha musste alles geben, da ich hinter den vier Fahrzeugen an der Spitze neben der Navigation noch ihrer Spur folgen und diese mit dem Roadbook abgleichen konnte, was einen deutlich höheren Speed zuließ. Bis an die 150km/h Höchstgeschwindigkeit waren mit der Yamaha möglich und sie brüllte dank der offenen Akraprovic-Auspuffanlage wie ein Stier, was aber auch die entstehende Motorwärme hervorragend ableitete. Ohne Navigationsfehler erreichte ich nach 60 Kilometern das Ziel und hoffte doch etwas Zeit gut gemacht zu haben.

Jetzt hieß es Kopfrechnen, um festzustellen ob die Aufholjagd von Erfolg gekrönt war. Bis zur Siegerehrung war nicht ganz klar, ob es gereicht hat. Doch dann kam die erlösende Nachricht, dass der zweite Platz mit nur 19 Sekunden Rückstand auf Mirjam Pol sicher war. Da hatte sich die Aufholjagd doch gelohnt, denn ich hatte auf der gesamten Rallye nicht so viel Fahrspaß wie auf diesen letzten 60 Kilometern mit dem Messer zwischen den Zähnen, auch wenn ich den ersten Platz um 19 Sekunden verpasste.

Insgesamt war die 25. Rallye Breslau 2019 die schönste und professionellste Ausgabe seit ihrem Bestehen und in der Jahresplanung für 2020 steht diese Rallye bereits fest im Kalender. Die Yamaha überstand diese Rallye in bester Manier ohne Sturz oder Defekt.

Teilnahmegebühren

  • 750 Euro

 

Technische Voraussetzungen für BIKES

  • Mindestreichweite 120km
  • Roadbookhalter
  • Tripmaster
  • GPS
  • Erste-Hilfe-Set, Warnweste
  • Hupe
  • Straßenzulassung
  • Grüne Versicherungskarte
  • Zusatzbeleuchtung für Nachtetappe empfehlenswert

Anforderungen an den Fahrer

  • Tagesetappen von bis zu 7h
  • Technische Kenntnisse bei Defekt
  • Vorhandenes Fahrkönnen bei allen Wetterbedingungen
  • Roadbook-Handhabung
  • GPS-Nutzung
  • Fahren bei Nacht (Nachtetappe)

Ergebnisse / Results 25. Rallye Breslau 2019 – BIKES

  1. Mirjam Pol, NLD, Husqvarna FR 450 Rallye Replica 16:13:15
  2. Sascha Christof, DEU, Yamaha WR450F, 16:13:34 (+19s)
  3. Jacek Kalita, POL, KTM 525 EXC 16:26.26
  4. Bram van der Wouden, NLD, Sherco SEF-450 Rallye 16:37:20
  5. Andrius Liskus, LTU, Honda CRF450X 17:20:43
  6. Tomasz Dabrowski, POL, KTM 450 Rallye Replica
  7. Thomas Kaeting, DEU, KTM 500 EXC Sixdays 17:35:17
  8. Josef Krupop, DEU, KTM, 17:37:50
  9. Bernd von Osten, DEU, KTM 500 EXC 17:44:08
  10. Ralf Buehrmann, DEU, KTM 500 EXC 18:17:40

ERGEBNISSE / RESULTS OVERALL der Kategorien LKW/CARS/QUAD/SSV samt Bildergalerien sind unter diesen Links zu finden:

  • LKW-Bildergalerie und Ergebnisse: LINK 1
  • CARS/SSV-Bildergalerie und Ergebnisse: LINK 2

WEITERE IMPRESSIONEN…

Weitere Infos unter: www.rallye-breslau.com