
Sommerpause vorbei – Vorfreude beim DEM-Comeback in Waldkappel
Endlich geht’s wieder weiter! Ein Satz, der am Samstag im Fahrerlager vermutlich am häufigsten über die Lippen der angereisten Starter, Betreuer und Zuschauer ging. Schon im Vorfeld war auf den sozialen Netzwerken die Vorfreude auf den dritten Lauf der Deutschen Enduro Meisterschaft deutlich spürbar. Stolz präsentierte jeder sein hochglänzendes Bike, und selbst die Anreise ins nordhessische Waldkappel wurde den Followern dokumentiert. Nach über fünf Monaten Sommerpause stand dem nächsten Kräftemessen also nichts mehr im Wege – und so füllte sich das Fahrerlager rund um den Sportplatz in Bischhausen Stück für Stück. Für viele war es zudem ein Wiedersehen mit Freunden und Teamkollegen, die man über die Sommerpause hinweg nicht gesehen hatte.
MSC Waldkappel-Breitau mobilisiert 320 Helfer und liefert Traumstrecken
Auch der austragende Verein, der MSC Waldkappel-Breitau e.V., fieberte dem Start am Sonntagmorgen entgegen. Über 320 freiwillige Helfer opferten wochenlang ihre Freizeit, um eine perfekt vorbereitete Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Ob es nun am Wettergott lag oder daran, dass jeder Helfer in der Woche brav seinen Teller leergegessen hatte – es half. Zwar hatte es am Donnerstagabend noch einmal ordentlich geregnet, doch am Rennwochenende wurden die Endurofans mit spätsommerlichen Traumtagen bei rund 25 Grad und viel Sonnenschein belohnt. Was will das Enduroherz mehr.
Hätte man am Samstag im Fahrerlager nach Wünschen gefragt, wäre die Antwort wohl gewesen: „Etwas mehr Abwechslung auf den Sonderprüfungen.“ Zum 23. Mal lud der MSC Waldkappel-Breitau e.V. zur Geländefahrt ein. Wer schon einmal dort gestartet ist, weiß, warum diese Veranstaltung seit Jahrzehnten zu den beliebtesten im Rennkalender gehört: die Abwechslung. Doch in diesem Jahr wurde das Team rund um Peter Überschär vor große Herausforderungen gestellt – Baumaßnahmen, Grundstückseigentümer, Behörden und Genehmigungen machten die Planung schwierig. Trotzdem gelang es, drei flüssige Sonderprüfungen über jeweils mehr als fünf Kilometer Länge auf die Beine zu stellen. Aufgrund der Einschränkungen musste man allerdings vermehrt auf umliegende Äcker zurückgreifen. Natürlich hätten die Organisatoren gerne mehr Waldanteile oder die Motocross-Strecke eingebaut, doch am Ende gilt: Man arbeitet mit dem, was genehmigt ist. Eine Veranstaltung dieser Größe ist heute schwer genug durchzuführen. Dass der MSC Waldkappel-Breitau e.V. dennoch so beliebt ist, liegt daran, dass am Ende alle zufrieden sind – selbst die Skeptiker vom Samstag fuhren am Sonntag mit einem breiten Grinsen und viel Adrenalin nach Hause. Wie Peter Überschär seit Jahren sagt: „Die Mischung macht’s!“
Und was mit der Mischung gemeint ist, zeigte sich schnell: drei schnelle Sonderprüfungen auf großen Äckern, superflüssig zu fahren und durch den Regen der Vortage perfekt vorbereitet. Die Sonne erledigte dann den Rest, sodass auf allen drei Prüfungen ein absoluter Traumuntergrund entstand – unter Fachleuten auch „Werksboden“ genannt. Freude pur: Wo sonst darf man ein Motorrad legal über weite Ackerflächen jagen? Zwar wurde der Boden mit zunehmender Hitze härter und staubiger, doch besser hätte es kaum sein können. Dennoch war Vorsicht gefragt, denn besonders abgedroschenes Stroh in Kombination mit engen Hangkurven forderte viel Gefühl in der Gashand und saubere Fahrtechnik. Für Vollgas-Fans ein Paradies – aber auch die knallharten Endurofahrer kamen auf der etwa 90 Kilometer langen Etappe voll auf ihre Kosten.
Das Mittelgebirge rund um Waldkappel bot reichlich Abwechslung, und die Streckenbauer hatten sich einiges einfallen lassen. Herausforderungen wie „Mo’s Auffahrt“ oder „Stilles Kämmerchen“ waren nur zwei Beispiele für die vielen Auffahrten, Abfahrten und Schlammlöcher. Das A- und B-Championat musste die Runde gleich dreimal absolvieren – mit einer Rundenzeit von etwa drei Stunden bedeutete das einen langen Tag auf der Sitzbank. Für Damen und Senioren waren zwei Runden angesetzt. Insgesamt bot die Etappe alles: nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht. Anspruchsvolle Passagen, schöne Singletrails und gelegentliche Quälerei – eben eine perfekte Mischung. Bei bestem Endurowetter war die Bühne frei für rund 260 Starter, und das Sportliche konnte beginnen.
Jeremy Sydow dominiert das A-Championat nach Verletzungspause
Wie ein Uhrwerk verließ die erste Startreihe nach einer herzlichen Begrüßung durch Moderator Nico pünktlich um acht Uhr die Startrampe. Die spannendsten Fragen lauteten: Wie würde sich Jeremy Sydow nach seiner Verletzungspause schlagen? Kann Luca Fischeder die Chance nutzen und im A-Championat ganz nach oben fahren? Oder gibt es einen neuen Gesamtsieger?
Die Antwort kam schnell: Jeremy hatte nichts verlernt. Trotz langer Pause setzte er sich souverän durch, gewann sechs von acht Tests und holte den Tagessieg im A-Championat sowie in der E1-Klasse. Eine Machtdemonstration des jungen Sherco-Piloten. Vermutlich kann sich der Chemnitzer in dieser Saison nur selbst schlagen.
Jeremy nach der Siegerehrung: „Auch heute lief es wieder wie geplant. Natürlich weiß man nach einer langen Verletzung erst einmal nicht, wo man genau steht und was die Konkurrenz in der Zeit gemacht hat. Aber ich fühlte mich über den gesamten Tag hinweg ziemlich wohl auf dem Bike, und auch mein Körper spielte hervorragend mit. Als ehemaliger MX-Pilot liegen mir die schnellen Prüfungen umso mehr, und es machte ordentlich Spaß, mein Bike über die Äcker kreischen zu lassen. Dass ich mich nun erneut über den Tagessieg im Championat freuen darf, ist die Kirsche auf der Sahne. Besonders mit Blick auf das nächste Wochenende in Portugal, wo ich in der WM wieder an den Start gehen werde, war das eine perfekte Generalprobe für meine zweite Saisonhälfte.“
Packende Sekundenkrimis in den Klassen: Fischeder, Chlum & Co. liefern ab
Ein weiterer Kandidat im Kampf um den Tagessieg war Beta-Pilot Luca Fischeder. Er fühlte sich den gesamten Tag über sehr wohl auf dem Bike. Zwar reichte es am Ende nicht für den Platz an der Sonne, doch strahlte er nach dem Rennen dennoch in die Kamera:
„Ein solider Tag mit guten Zeiten, aber auch einem kleinen Missgeschick vor der zweiten Prüfung. Ich bin nicht gleich reingefahren und deshalb später auf einen anderen Fahrer aufgelaufen. Das hat etwas Zeit gekostet und darf mir eigentlich nicht passieren. Aber ich kann es heute gut verkraften. Nun heißt es: ab nach Portugal, um in der WM den Schwung mitzunehmen.“
Der Drittplatzierte Matyas Chlum begann den Tag etwas durchwachsen. Am zweiten Test hatte er zudem einen Sturz, doch er fing sich wieder:
„Ich habe einfach alles abgeschüttelt und noch einmal konzentriert angegriffen“, freute sich der Sherco-Pilot aus der Tschechischen Republik, der am Ende noch aufholen konnte. Generell fühlt sich Matyas in der Deutschen Enduro Meisterschaft sehr wohl, wie er verriet:
„Eigentlich wäre dieses Wochenende auch ein Lauf bei uns in Tschechien für mich gewesen, doch hier in Deutschland ist einfach alles viel besser organisiert und vorbereitet. Das komplette Sherco-Team unterstützt mich so großartig. Ich kann mich voll auf alle Betreuer verlassen. Daheim in Tschechien bin ich meist mit meinem Dad alleine und muss alles selbst managen. Hier ist alles deutlich entspannter für uns. Auch die heutige Etappe war Weltklasse – eine schöne Runde mit großartigen Aussichten und spaßigen Stellen. Straße sind wir heute gar nicht gefahren, nicht so wie letzte Woche in Italien bei der ISDE. So muss Enduro sein! Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Lauf in Tucheim.“
Mit diesen Worten verabschiedete sich der Tscheche, der nicht nur das Podium im Championat vervollständigte, sondern auch den zweiten Platz hinter Luca Fischeder in der hubraumstarken E3-Klasse belegte. Damit war die Stimmung auf der sechsstündigen Heimfahrt gesichert.
In der E2-Klasse brachte Davide von Zitzewitz seine alte 450er an den Start:
„Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich mit dem Motorrad hier auf den Ackerprüfungen die besten Chancen habe.“
Und tatsächlich: Sein Plan ging auf, er gewann die Klasse. Für den Führenden in der Meisterschaft, Eddie Hübner, war das aber kein Problem – mit Rang zwei baute er seinen Vorsprung sogar weiter aus. Auf Platz drei landete Yanik Spachmüller, der nach langer Verletzungspause bei den Sixdays und in Waldkappel wieder mit der 350er GasGas antrat:
„Das ist fürs Cross-Country nicht ganz so anstrengend“, hoffte der ehemalige E1-Meister.
Den ganzen Tag über lieferte er sich ein Duell mit dem Schweden Franz Löfquist, das sich erst in der allerletzten Sonderprüfung entschied. Dort zog der Yamaha-Pilot noch vorbei. Spachmüller gab zu: „Ich war von Anfang an ziemlich erschöpft. Die Sixdays haben mich einfach geschafft.“
Doch dann kam die Überraschung: Die letzte Sonderprüfung wurde nachträglich gestrichen, da das Zeitnahmesystem streikte. Rennleiter Martin Breitfeld kündigte sogar eine Änderung des Systems an. So rutschte Spachmüller unerwartet doch noch zurück auf Platz drei.
Auch bei den Junioren der Klasse 4.1 ging es eng zu. Gerade einmal 0,72 Sekunden – ein Wimpernschlag – trennten den Sieger Pascal Sadecki vom Zweitplatzierten Fynn Hannemann. Ein packender Zweikampf über den gesamten Tag hinweg, ein echter Krimi. Zwar gewann Fynn die letzte Prüfung, doch Pascals Vorsprung reichte zum Sieg. Genau solche Ergebnisse machen den Endurosport so besonders: Es wird bis zur letzten Sekunde gekämpft, und oft entscheidet ein kleiner Fehler.
Ähnlich spannend ging es bei den Senioren zu. Sirko Bühnemann und Dirk Peter setzten ihr Duell fort – am Ende trennten die beiden gerade einmal 0,92 Sekunden. Erneut durfte sich Bühnemann freuen. Doch wie gewohnt nahmen beide es sportlich. Schon kurz nach dem Rennen saßen sie bei Bratwurst und Feierabendbier zusammen, philosophierten über den Tag und zeigten, wie viel Fairness im Enduro steckt. Sirko grinsend am Podium:
„Damit habe ich heute wirklich nicht gerechnet. Normalerweise sind das genau Dirks Bedingungen. Ich bin ja eher der Sandhase. Aber es hat gepasst. Auch wenn ich in der Sommerpause kaum Motorrad gefahren bin und durch die Einschulung meines Sohnes eine längere Pause hatte, war es ein genialer Renntag hier in Waldkappel. Die Etappe war super, alles, was man braucht. So macht Enduro Spaß! Nun geht’s nach Hause, und mit viel Vorfreude sehen wir uns dann in Tucheim. Ich hoffe, ich kann mit Dirk weiterhin den Fans eine tolle Show bieten. Der Zweikampf mit ihm ist einfach geil!“
Neue Gesichter im Rampenlicht: Deniz Schröder begeistert bei DEM-Debüt
„Einfach geil!“ – so lässt sich auch das DEM-Debüt von Deniz Schröder zusammenfassen. Das junge Talent aus Hessen wollte ursprünglich nur einmal in die Deutsche Enduro Meisterschaft hineinschnuppern. Nachdem sie endlich alt genug für den Führerschein war, nutzte sie die Chance – mit Erfolg:
„Ich habe schon lange von der DEM geträumt, und nun war es endlich soweit. Ich gebe zu, ich war echt aufgeregt und hatte auch etwas Angst vor dem, was mich erwartet. Aber nach den ersten Kilometern löste sich die Aufregung, und ich konnte es genießen. So eine lange Etappe über mehrere Stunden hatte ich noch nie gefahren. Eigene Erwartungen hatte ich keine – umso größer war der Schock, als mir an der ersten Zeitkontrolle gesagt wurde, dass ich auf Platz zwei liege. Damit hätte ich nie gerechnet, zumal mir in der ersten Prüfung einige Fehler passiert sind. Ab da wollte ich nur noch sicher ins Ziel kommen. Am Ende hat es geklappt, und ich kann es kaum glauben. Der Zusammenhalt unter uns Mädels ist enorm – alle haben mir direkt gratuliert. Sprachlos! Ein tolles Event, und dann auch noch Platz zwei, das hätte ich mir nie erträumt.“
Da sie in Tucheim privat verhindert ist, wird Deniz dort fehlen. Doch eines ist klar: Sie will nun so oft wie möglich starten und ab nächstem Jahr voll angreifen.
Sportliche Fairness, Vereinsdank und Ausblick auf Tucheim
Zum Abschluss bedankte sich Peter Überschär stellvertretend für den MSC Waldkappel-Breitau e.V.: „Ich bin einfach glücklich! Natürlich ist es nie einfach, so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Ja, es lief nicht alles reibungslos – auch wenn unser Verein dafür nichts konnte, möchte ich mich entschuldigen. Dennoch glaube ich, dass wir eine tolle Veranstaltung organisiert haben, die vielen ein großartiges Enduro-Erlebnis ermöglicht hat. Am Ende sind alle glücklich und heil nach Hause gefahren. Das ist für mich das Wichtigste. Ein großes Dankeschön an alle Helfer für dieses schöne Event hier bei uns in Waldkappel.“
Am 4. Oktober geht es schon weiter mit dem vierten Lauf der DEM in Tucheim – einer altbekannten Veranstaltung, die stets für Überraschungen gut ist. Wir sind gespannt, was uns dort erwartet.